Ein Paar zuviel (2008)

Anette und Heinz sind seit 24 Jahren verheiratet. Manches in der Beziehung hat sich in dieser Zeit „eingeschliffen“, man lebt mehr neben- als miteinander. So fallen die Verlockungen eines Internet-Flirts auf fruchtbaren Boden. Beide lernen unabhängig voneinander im Chatroom jemanden kennen, den sie sympathisch finden und treffen möchten. Beide lassen sich dabei vom besten Freund bzw. der besten Freundin helfen. Doch verläuft das Treffen ganz anders als erwartet …

Trubel in die Familie bringen aber nicht nur die Eheleute selber, sondern auch ein ferner, etwas ungewöhnlicher Verwandter, der vorübergehend Unterschlupf findet und die neugierige Nachbarin, die ein waches Auge auf die Vorkommnisse in „ihrem“ Mehrfamilienhaus wirft.


Darsteller: (4m/4w)

Die Presse schrieb:

„Volltreffer“ beim Seitensprung

Bühnenzinnober feierte gelungene Premiere des neuen Stückes “Ein Paar zuviel”

Die kleine Theaterhochburg am Taubertalhang über dem Städtchen Creglingen macht ihrem Namen zum Jubiläum alle Ehre. Nach dem riesigen Publikumserfolg mit dem Schauspiel „Heimatfront“ im vergangenen Jahr (rund 2800 Zuschauer sahen das realitätsnahe Drama über die letzten Kriegstage in einem kleinen Dorf) durfte jetzt wieder unbekümmert gelacht werden bei der Premiere im Gemeindehaus. Einen „Blödsinn“ allerdings (so die übertragene Bedeutung von Zinnober) bot der Reinsbronner Theaterverein mit seinem Hausautor, dem Schriftsteller und Journalisten Arno Boas aus Finsterlohr noch nie. Es ist Volkstheater mit Niveau, Pfiff und Gehalt, was insgesamt 81 Laien-Darsteller seit 1983 alljährlich mit viel Herzblut auf die Bühne gebracht haben.

Auch das jüngste Stück, die Beziehungskomödie „Ein Paar zuviel“, macht da keine Ausnahme. Sie hat alles, was ein Lustspiel braucht: ein Thema mit sattem Wiedererkennungswert („Die Ehe ist zur Routine geworden“). Höchst amüsiert begegnet das Publikum der (vorstellbar) eigenen Welt in komischer Verdichtung. Erotik, ein bisschen Schadenfreude, Lebensnähe, eine kitschfreie Prise an Sentimentalität und viel mimische Kraft lassen das mitreißende Spiel der acht Akteure nur so prickeln. Annette und Heinz (von Monika Kreiselmeier und Eberhard Meder mitreißend und schattierungsreich gezeichnet) suchen vor der Silberhochzeit eine Auszeit von der ehelichen Tristesse. Freunde feuern sie beim virtuellen Seitensprung übers Internet an, was nach vielen, das Zwerchfell strapazierenden Irrungen und Wirrungen schließlich in einem „Blind Date“ der besonderen Art gipfelt. Arno Boas hat das klassische Verwechslungsmotiv gewitzt variiert und wie einen goldenen Faden eingewoben in eine Handlung mit ausdrucksvollen Nebensträngen. Da ist die pubertierende Tochter Vanessa (lebensecht dargestellt von der 16jährigen Madelaine Boas). Da ist aber auch die Freundin Silvia (Susanne Stirmlinger), die mit Laptop und Stöckelschuhen aufgeht in der Rolle der verführerisch einflüsternden Lebedame als ein menschgewordener Gegensatz zum ehelichen Lebenslänglich („Was brauch’ ich die ganze Sau, wenn’s ein Schnitzel ab und zu auch tut“).

Der Freund des Ehemanns (Jochen Heppel) ist da lange nicht so mephistophelisch. Er läuft zu Hochform auf, wenn er den auf Freiersfüßen joggenden Kumpel brachial einrenkt. Und auch die Nebenrollen sind ideal besetzt. Silke Herschlein legt als furiose Nachbarin urkomische, vor Temperament sprühende Auftritte hin, nachdem ihr ganzer Vorgartenstolz, ein schwarz-rot-goldener Gartenzwerg für 250 Euro, Überbleibsel vom Fußball-Sommermärchen, das erste (und einzige) wirkliche Opfer des lustigen Dramas geworden ist. Als weitläufige Verwandte tragen Wolfgang Hess und Edgar Habel viel bei zum Hubraum des rund laufenden und elastischen Ensemble-Achtzylinders. Gerade letzterer lotet als „Max“ die vom Autor gekonnt angelegten Tiefen berührend aus, ohne die Komik der Rolle zu mindern. Eine Superleistung, wie er den ödipushaften, lebensgehemmten Fernseh-Junkie, im Innersten aber doch feinen Kerl zeichnet und gleichzeitig Lachsalven provoziert, etwa wenn er seine Gastgeber mit teuren Telefon-Bestellungen (Enzyklopädie in 29 Bänden) beinahe in den Ruin treibt. Dabei ist das Stück (Bühnenbild: Dorothee Habel und Sabine Rother) auch raffiniert und mit dem Können eines Theater-Profis in Szene gesetzt. Ausgeklügelt: wenn am Anfang die lebensechte Familienszene mit einer Art „techno“-rhythmischen Szenen-Staccato verfremdet wird.

Der neue Regisseur, Hannes Hirth, blickt auf eine rund 25-jährige Karriere als Schauspieler (unter anderem mit Rollen in bekannten Fernsehserien) und als Regisseur (aktuell bei den kultigen Kinderfestspielen in Giebelstadt) zurück. Den Reinsbronner Bühnenzinnober des Jubiläumsjahres vollendet er mit präzise gesetzten und damit sehr wirkungsvollen Regieeinfällen. Sein jovialer, konzentrierter Regiestil spornt das Ensemble zu einem spürbaren Optimum an Energie und gemeinsamer Chemie an. Auf einem hochkant gestellten Sofa im mitternachtsblauen Schummerlicht treffen die Eheleute auf Abwegen ihre bis dahin rein virtuelle Bekanntschaft aus dem Internet (Codenamen „Knabberhäschen“ und „Strammer Max“) am Ende wirklich. Heinz und Annette ahnen noch nicht, dass hinter den Augenbinden keine Vorliebe für Fesselspiele, sondern das Ende ihres bisherigen Lebens steckt – wenn auch ganz anders als erwartet.

Die Schocktherapie kommt an. Das Premierenpublikum feierte mit Szenenbeifall und frenetischem Schlussapplaus das Ensemble, dessen drei Urgesteine Kreiselmeier, Meder und Stirmlinger bereits von Anfang an dabei sind. Wer eben dies auch als Zuschauer nachweisen könne, der dürfe im nächsten Jahre „umsonst rein“, versprach Autor Arno Boas in seiner Ansprache am Ende mehrerer bejubelter „Vorhänge“. Weitere Vorstellungen im Gemeindehaus (Beginn jeweils 20 Uhr) stehen für Freitag, Samstag, Sonntag, den 8. Februar 2008, 9. Februar und 10. Februar sowie für das Wochenende am 15.und 16. Februar auf dem Programm. (Kartenvorverkauf Telefon 07933/7597). Außerdem gastiert die Bühne am Sonntag, 17. Februar, in der Alten Turnhalle in Niederstetten (Karten über die dortige Mediothek) im Rahmen der Hohenloher Theatertage.