Nachricht vom 23. April 2008

Gesamtfränkische Mundarttheatertage

Matinee mit drei Autoren im Geyer-Schloss Reinsbronn

Nachdenkliches heiter verpackt

Reinsbronn. Was wäre das Mundart-Theater ohne die Mundart-Autoren? Ihnen widmete Reinsbronn im Rahmen der 19. gesamtfränkischen Mundart-Theatertage eine Matinee. Im Rittersaal des Geyer-Schlösschens drängten sich die Gäste nur so, und längst nicht jeder, der zuhören wollte, bekam noch einen Sitzplatz.

Angekündigt waren neben der Rothenburgerin Gertrud Schubart und dem aus Pegnitz stammenden Walter Tausendpfund auch Cilli Pigor aus der Rhön und der Hohenloher Gottlob Haag aus Wildentierbach. Die beiden letztgenannten mussten aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig auf die Lesung verzichten. So kam Leo Breitenbach ins Spiel, mit Klängen aus dem Main-Spessart-Raum.

Er machte den Anfang. Der gelernte Schmied ist Jahrgang 1950, hat seinen Meister in Augsburg gemacht, spielt konfessionsübergreifend Kirchenorgeln und arbeitet derzeit als Fernfahrer. So einem, sagt er von sich selbst, graue vor nichts, und der könne auch Ortsgeschichten sammeln. Über den Dialekt hat er geschrieben, die rheinfränkischen Einflüsse. „Wo kömmste dann haar?“ Ganz einfach: Breitenbachs Heimat ist da, wo der Nebel „Nawel“, der Nabel „Nouwel“ und die Äpfel „Öbbel“ heißen, ein „Zuuch“ (Zug) aus dem „Boohoff“ und wo, wie überall, die „Schauer“ (Steuer) viel zu hoch ausfällt. Breitenbach hat schon immer interessiert, „woa die Wirder haar kumme.“

Die Wörter-Herkunft interessiert das Dialekt gewohnte Publikum, das aber angesichts des Dialektes, für den der Schnabel nun wirklich gewachsen sein muss, eigentlich nur in Breitenbachs „Oh joddich, noo!“ einfallen könnte, wenn es denn könnte. Aus der Kindheit berichtet der Fernfahrer, vom Problem, die „Ganser“ wieder heim zu treiben; vom armen Bauern-Pärchen, das „die Mellech“ (Milch) „needich gebraacht“ hat. Wo’s Geld für Tierarzt und Medizin fehlt, wird halt „gesunn gebett“ – notfalls auch mit bischöflicher Hilfe.
Seit drei Jahrzehnten macht sich Walter Tausendpfund einen Namen als Mundart-Autor. Jahrgang 1944 ist der Gymnasiallehrer, der die Menschen der Fränkischen Schweiz samt ihrer typischen Eigenarten in Mundart portraitiert. Dort, weiß er, muss sich der Gast zunächst einmal durch gutes Verhalten das Wohlwollen des Gastwirts erwerben. In Reinsbronn war er schon oft, in Creglingen fällt ihm das wunderschöne Lagerhaus auf: ganz wie zuhause ist es auch hier: „Zoubedonierd, zouasfaldierd, vergloosd“. An Oswald von Wolkenstein erinnert die „Liebe im Dialog“, genaue Beobachtung ist die Basis der Beschreibung des langsamen Abriebs dieses Gefühls. Da überwiegt dann irgendwann die liebevolle Verkleinerung bei „mei Audole“, gilt die heimlich gepflegte Leidenschaft dem „Broodworschdweggle.“ Ob aus der Zuneigung zum Quark aber noch je „ebbes gescheits wedd“, „wass“ er „fei ned.“
Fast schon zuhaus ist Gertrud Schubart in Reinsbronn. Rothenburg liegt ja gleich ums Eck, und hier wie dort mahnt ein Blick auf die innere Uhr, dass es schon „finf Minudde vor zwelfe“ ist. Nachdenklich heiter ist, was die Autorin ihren Lesern und Zuhörern mitgibt: Im „Ehebrevier“ mahnt sie, sich „lieber gegeseitig nausbutze als naabutze“, mit „Mei Brief“ plädiert sie für die „handgeschriewene“, den Mit-Rothenburgern rät sie zur Langmut mit den nervenden Fremde: „Bei uns wär doch die Katz verreck, hätt uns die Fremde net entdeck.“ Gertrud Schubart ist überzeugt: „I bin a Frank! Mei Gechend iss es Tauwertal – des is seehr weit vo Münche.“

Genau hinschauen – dem Volk aufs Maul eben – ist unzweifelhaft die Stärke der Mundartautoren, ganz gleich, ob lyrisch geprägt oder in Prosa, ob fürs Theater oder eher als Essay. Viel Nachdenkliches ist da zu hören und zu lesen, das sich ganz anders, nämlich sehr viel heiterer, in den Kopf reinschleicht als eine ähnlich geartete Botschaft auf Hochdeutsch. Anne Beck begleitete die Lesung am Klavier, setzte Zäsuren, ermöglichte, die Worte sacken zu lassen. Gut abgestimmt mit den Autoren hatte sie die musikalischen Fußnoten zum Textprogramm, von perlend fließendem Impressionismus bis zu munteren Frühlingsvariationen. Ob’s wirklich Zufall ist, dass gegen Ende der Lesung erste Sonnenstrahlen neugierig in den Rittersaal hineinlugten?

Erscheinungstag: 23.04.2008 FN