Nachricht vom 29. April 2008

Ganz Franken zu Gast in Reinsbronn

Gesamtfränkische Theatertage: 13 Gruppen zu Gast

Reinsbronn als Metropole fürs Mundarttheater

theatertage

Arno Boas bei der Eröffnung der Theatertage. Vorne von links Bürgermeister Hartmut Holzwarth, Landrat Reinhard Frank, Arge-Ehrenvorsitzender Franz Och und Rolf Wenhardt, der Präsident des Landesverbandes Amateurtheater Baden-Württemberg

Reinsbronn. Zwei Tage lang war die kleine Creglinger Ortschaft Reinsbronn die Metropole fürs fränkische Mundarttheater. Ausrichter war die Reinsbronner Theatergruppe Bühnenzinnober – passend zum 25-Jahr-Jubiläum.
Fast drei Jahrzehnte Tradition haben die Mundarttheatertage, die vor zwölf Jahren schon einmal in Creglingen stattfanden. Es geht um die Pflege des Amateurtheaterspiels – und die der „gesamtfränkischen“ Mundarten. Davon gibt es etliche: in Ober-, Mittel- und Unterfranken, und natürlich gibt es auch die Hohenlohisch-Fränkische Spielart.

13 Theatergruppen waren angekündigt, die sich hier nicht nur um des Spieles willen zwei Tage lang in kurzen Auftritten präsentierten. Sie waren auch angetreten, um das „Theaterpärla“, sozusagen „Oskars“ fränkischen kleinen Preisbruder, zu erringen. Dazu gesellten sich noch außer Konkurrenz die Reinsbronner Jugendtheatergruppe mit „Immer der Ärger mit diesen Lehrern“ von Arno Boas und die Schäftersheimer „Doredräwer“, die den „Bunten Abend“ mit dem Weinkabarett „Ein Oskar für den Kerner“ bereicherten.

Große Vielfalt
Das „Theater-Pärla“ verleiht die Arbeitsgemeinschaft „Mundart Theater Franken“ seit 1996 im Zweijahresrhythmus. Zu den bisherigen Preisträgern gehörte die Theatergruppe Hollenbach mit Wilhelm Staudachers „Schöne rote Paprika“, die Theatergruppe Uettingen (in diesem Jahr mit der Jugendgruppe vertreten) mit Dirk Salzbrunns „Hey Joe“, die Theatergruppe Rohr mit dem Boas-Stück „Aufs Kreuz gelegt“, die Volksbühne Egloffstein mit dem „Zweikampf“ von Fitzgerald Kusz und der Kulmbacher „Schauhaufen“, der heuer mit der Molière-Kurzfassung von „Der Geizige“ brillierte.
Von der angekündigten „Theatervielfalt“ ließ sich Creglingens Bürgermeister Hartmut Holzwarth kaum etwas entgehen. Stolz ist er darauf, dass die Reinsbronner seit 25 Jahren Theater spielen, so dass die Stadt die Truppe auch gern bei der Schaffung der neuen Bühne unterstützte. Wichtiger denn je als Bereicherung der regionalen Kulturarbeit sei die Mundart, so Rolf Wenhardt, Präsident des Landesverbandes der Amateurtheater Baden-Württemberg, der sich ebenfalls nichts vom landesübergreifenden Theaterfestival in Reinsbronn entgehen ließ.
Manfred Zirkelbach, Vorsitzender der „Arge“, hatte großen Spaß daran, dass hier zwei Tage lang die „Dialekte zelebriert“ wurden und stellte fest, dass es auch jenseits der bayerischen Landesgrenze „richtig knackige Franken“ gebe.
„Mundart macht g’scheit“

Für Landrat Reinhard Frank, der sich nicht nur Zeit fürs Reinsbronner Festival nahm, sondern auch anlässlich des Reinsbronner Bühnenjubiläums eine Spende des Kreises überbrachte, ist in der globaler werdenden Welt die Heimat der „Hafen“ und die Mundart der „Anker“. Außerdem mache Mundart schlicht „g’scheit“, weil sie für zweisprachiges und damit intelligenzförderndes Aufwachsen sorge. Auch Frank dürfte zufrieden gewesen sein, dass die Kreisstraßen-Baustelle – gut eine Million Euro kostet das grundlegende Facelifting – den Ort immerhin nicht ganz von der Außenwelt abriegelt.
Vom Jugend- bis zum Seniorentheater, von „fast schon professionell“ bis zu der immer für Überraschung sorgenden, aus Rothenburg und Obernzenn stammenden Behinderten-Theatergruppe „Schau mer mal“ reichte die bunte Palette. Die Jugend holte sich keineswegs nur ermutigenden Achtungsapplaus, sondern begeisterte mit sprühender Spielfreude und erstaunlicher Perfektion.

„Graf Knickerbocker und die Zauberoma“ brachte die Jugendtheatergruppe Riedenheim auf die Bühne. Da verwandelt der Zauberer Menschen in Tiere – köstlich gelöst mit Stabfiguren aus Papier -, erweist sich die Oma als Zauberschnüfflerin, die ihre Künste aus dem VHS-Kurs „Zaubern für alte Leute“ bezogen hat, da geht’s darum, ein altes Schloss davor zu schützen, zum Event- und Freizeitpark umfunktioniert zu werden.
Sehr gelungen auch „Shakespeare ist cool“ der Jugendtheatergruppe Katzenbach, die seit zehn Jahren im seit knapp drei Jahrzehnten bestehenden, sehr rührigen Katzenbacher Theaterleben mitmischt. Sie zeigten nicht nur höchst lebendig, was heute Kids von Shakespeare halten, sondern gingen auch mit dem Stück des aus Uettingen stammenden Autors und Kabarettisten Dirk Salzbrunn souverän um.
Die Uettinger Jugend punktete mit „Morgenstund hat Gold im Mund“ von Klaus Dieter Gugel, der wiederum aus Rohr stammt. Köstlich die „Oma“, erfreulich das Zusammenspiel der Theatergenerationen. Außer Konkurrenz erspielte sich die Jugendtheatergruppe aus Reinsbronn gleich eine Einladung zu den Jugend-Mundart-Theatertagen, die für den 26. Oktober sind.

Geschichten selbst entwickelt
Für Begeisterung sorgte auch die Rothenburger Theatergruppe „Schau mer mal“. Die von der Diakonie unterstützten Behinderten haben die Geschichten selbst entwickelt: von der kleinen Flucht des Bauernsohnes auf den Berg, von Unfall, Krankenhausaufenthalt, vom großen Traum, in Berlin eine neue Welt zu entdecken. Irritierend, fesselnd, packend spielte sich die Gruppe in die Herzen des Publikums.
Aus Niederstetten war die Seniorentheatergruppe „Spätlese“ mit einem komplett selbst entwickelten Stück zu Gast, die Hollenbacher Theatergruppe zeigte auf höchstem spielerischen Niveau Ausschnitte aus dem Stück „Die Glückskuh“.
Zur Totenwache im Sterbezimmer des „Seligen Florian“ wagte sich die Theatergruppe Unterleinleiter – da wird die Leiche wach und sammelt erstaunliche Erkenntnisse.
Die Theatergruppe Pfofeld widmete sich in ihrem Kurzstück „Wahlk(r)ampf“ dem Handwerk in einer für Parteien zuständigen Werbeagentur, zeigte köstlich das PR-Milieu, das keinerlei Berührungsängste kennt, mit Bürgermeistern flirtet, fahndete nach einem geeignetem „Politikermodel“ und lieh sich dafür kurz mal Arno Boas aus.

Dass so ein „Affakasta“, wenn er zur familieninternen Abendberieselung fehlt, für Ehestreit vom feinsten sorgen kann, bewies die Theatergruppe Geldersheim. Schlicht zum Schreien war die Schäftersheimer Version von „Dinner for one“ – von „real british“ bis bilingual und in Doppelbesetzung bis hin zur Doredräwerschen Version.
Unglaublich genau aufs Leben geschaut hat die Theatergruppe Rohr mit „Wehe, wenn sie losgelassen“ – da waren im Saale keine Mutter und kein Vater, die nicht die Kinder, kein Kind, das nicht die Eltern wiederkannte.
Beim bunten Abend mit der kabarettistischen Weinprobe der Doredräwer, dem Kabarettisten Dirk Salzbrunn und fränkischer Musik der genialen „Burgbernheimer Bergzwetschgen“ bebte das bis in den allerletzten Winkel vollgestopfte Gemeindehaus regelrecht: so eine Stimmung bis spät in den Morgen hinein hat man selten im Dorfgemeinschaftshaus erlebt. Am Sonntag zeigten sich Mundartautoren von ihrer unterhaltsamen und ihrer nachdenklichen Seite. Nicht erst nach der Verleihung des „Theater-Pärla“ gab es für die Organisatoren vom Bühnenzinnober reichlich, reichlich Lob. Der einhellige Tenor: „Besser geht’s nimmer.“

Erscheinungstag: 22.04.2008  FN