Kaltgestellt (2005)

Im Mittelpunkt des Stückes steht eine Sorte Mensch, über die sich fast jeder schon einmal geärgert hat: die Gaffer. Sie sind immer vorne dran, wenn’s irgendwo brennt oder gekracht hat. Katastrophen sind ihr Hobby, und auf der Suche nach dem ultimativen Kick hat es diesmal eine Schaulustigen-Gruppe in die Berge verschlagen. Sie hoffen, eine Lawine live mitzuerleben – allerdings entwickelt sich der Ausflug eher zum Horrortrip, denn sie werden in der Hütte eingeschneit – zusammen mit drei anderen Menschen. Da sind die Konflikte vorprogrammiert.

Das Stück verbindet Dramatik und Komik mit einer Portion schwarzen Humor. Am Ende erleben die Gaffer wirklich eine Katastrophe – aber ganz anders als erwartet…


Personen: 9 (5m/4w)


Die Presse schrieb:

(Alb)traum vom ultimativen Kick

Neues Stück des Reinsbronner Bühnenzinnobers lässt in menschliche Abgründe blicken

Reinsbronn. “Kaltgestellt” – das ist der Titel des neuesten Theaterstücks von Arno Boas. Mit genialem Timing – passend zu den derzeitigen eisigen Temperaturen – fand die Uraufführung am vergangenen Wochenende beim “Reinsbronner Bühnenzinnober” statt. Flott in Szene gesetzt wurde diese Tragikomödie von David Winkenstern. Schwer bepackt stapfen da gleich zu Beginn die Hauptakteure durch den nächtlichen Schneesturm (eigentlich ist es “nur” der Zuschauerraum). Eine einsame Gebirgshütte ist ihr Ziel. Was sie dort wollen, sagt schon der Name des Vereins, dem sie alle angehören: “Bundesverband der deutschen Schaulustigen-Vereinigung, Sektion Baden-Württemberg, Ortsgruppe Main-Tauber”. Offenbar handelt es sich bei den Personen auf der Bühne um eine Spezies Mensch, die dem Autor Arno Boas in seinem Alltag als Journalist schon öfter begegnet ist: Mit spitzer Feder – mal witzig, mal leicht bissig – “zeichnet” er sie als typische Sensationstouristen. “Uns gibt´s auf jeder Meereshöhe´”, sagen diese Leute von sich selber.

Sechs Gleichgesinnte also hoffen auf den ultimativen Kick in den Bergen. Zwei davon (Monika Kreiselmeier und Wolfgang Hess) werden bald zu einer gefährlichen Mission fortgeschickt, um am Ende des Theaterstücks dann quasi als “deus ex machina” den ganzen Verein zu retten. Die anderen vier aber sind auf den ersten Blick bestens präpariert für die Live-Katastrophe im Schnee. Doch es kommt natürlich ganz anders, als man erwartet – sonst wär´s ja keine “Tragikomödie”.

Dazu retten sich noch drei weitere Personen in die urig ausstaffierte Berghütte auf der Reinsbronner Bühne. Das halb erfrorene Pärchen Melanie (Silke Herrschlein) und Roland (Edgar Habel) muss notgedrungen aufgenommen werden. Auch ein gewisser “Dr. Wieland” klopft noch an die Tür (Jochen Heppel als cooler “Manager des Jahres”, der gerade seine Belegschaft gnadenlos reduziert hat).
Da prallen nun die “Welten” aufeinander – gespickt mit Geist und Situationskomik -, so wie man es aus der Feder von Arno Boas gewohnt ist. Einzelheiten werden nicht verraten, die Spannung soll ja bleiben. Das Publikum amüsiert sich köstlich und geizt nicht mit Szenenapplaus. “Wo andere noch vor der Glotze hocken, da sind wir längst schon auf den Socken. Wir sind immer live dabei, wenn´s kracht oder brennt und haben noch keine Sensation verpennt!”. Dieses Motto hält die Gaffertruppe auf der Berghütte zusammen. Zwar hat sich die junge Generation (Janine Boas und Tobias Weid) den Hüttenzauber etwas anders vorgestellt, aber der Schneesturm macht ein Entrinnen nur hin und wieder in die Seitenkammer möglich.

Mutter Hertha schmückt derweil hingebungsvoll ihr mitgebrachtes Plastik-”Weihnachtsbeemle” , bis ihr schließlich klar wird, dass sie doch am besten ihr Testament verfasst, falls das Schnee-Abenteuer zum eigenen Super-Gau wird. “I will hoam”, jammert sie dann, halbverhungert und dem Hüttenkoller nahe. Mit erstaunlicher Wandlungsfähigkeit in Gestik und Mimik gestaltet Verene Schiebold diese Rolle. Köstlich ihr trutziger “Holzmichel”-Song gemeinsam mit ihrem Ehemann Rudi, dem skrupellosen Boss der ganzen Gaffergruppe!
In dieser Rolle brilliert Ulrich Pfänder, der erstmals beim Reinsbronner Bühnenzinnober mitspielt. Dieser paramilitärisch agierende Vater Rudi verkörpert einen Menschentyp, der dem Neu-Reinsbronner wie auf den Leib geschrieben scheint. Mit seiner Trillerpfeife hat er immer “alles unter Kontrolle” – in Melanie und Roland findet er allerdings seine “Meister”. Grandios gespielt ist die Szene, als Edgar Habel, von “Hartz IV” gezeichnet, schließlich total ausrastet und die “bühnenreife” zwischenmenschliche Katastrophe liefert. Das war dann endlich der ultimative Kick für den sensationslüsternen Katastrophentouristen Rudi – oder etwa nicht? Unaufhaltsam nähern sich die menschlichen Verwicklungen jedenfalls der Live-Katatrophe – mitten in der Hütte! Zum Schluss nimmt das Ganze dann noch eine höchst überraschende Wende: Darin steckt dann “die Moral von der Geschicht´”…

Auch in diesem Jahr hat sich die Zusammenarbeit des “Reinsbronner Bühnenzinnobers” mit dem Regieprofi David Winkenstern bewährt. Ihm gelingt es, die vielen spritzigen Ideen des Drehbuchs in einer Weise umzusetzen, die den Charakteren der einzelnen Schauspieler entspricht und sie zu Höchstleistungen anspornt. Dass Licht- und Tontechnik, Maskenbildnerinnen und Souffleusen und die anderen Mitarbeiter im Hintergrund als eingespieltes Team agieren, ist man in Reinsbronn nicht anders gewohnt.

Lob kam nach der Uraufführung zudem von einem, der es wissen muss: Rolf Wenhardt, der neue Präsident des Landesverbandes Amateurtheater Baden-Württemberg, besuchte die Premiere und äußerte anschließend anerkennend, in Hohenlohe gebe es eine sehr rege Theaterlandschaft “und diese Aufführung ist eine Perle davon”. Zugleich lobte er die neue 15-köpfige Jugendgruppe des “Reinsbronner Bühnenzinnobers”, die ebenfalls von David Winkenstern betreut wird und die Ende des Jahres in Reinsbronn erstmals öffentlich zu sehen sein wird auf den “Brettern, die die Welt bedeuten”.
Das neue Stück wird an drei weiteren Abenden im Reinsbronner Gemeindehaus aufgeführt: am Freitag, 11., Samstag, 12. und Freitag, 18. März, jeweils um 20 Uhr. Karten für diese Veranstaltungen gibt es ab heutigen Dienstag, 8 Uhr, bei Christina und Eugen Wolfarth, Telefon 0 79 33 / 75 97. Für die Veranstaltungen am 4., 5. und 6. März gibt es ebenfalls vereinzelt noch Karten. Auch an der Abendkasse gibt es für Kurzentschlossene noch Plätze.

Erscheinungstag: 01.03.2005